Zum Inhalt

«Gesellschaft des Genug»: Mit Prof. Dr. Uwe Schneidewind

Zu den Perspektiven kommunaler Suffizienz

Am 16. Januar 2025 fand der dritte und vorläufig letzte Vortrag der Reihe «Gesellschaft des Genug» mit dem Titel «Zu den Perspektiven kommunaler Suffizienz» statt. Dr. Jeannette Behringer, Leiterin des Schwerpunkts Suffizienz am ZKSD, eröffnete den Abend und stellte Prof. Dr. Uwe Schneidewind vor. Prof. Dr. Uwe Schneidewind ist ein deutscher Wirtschaftswissenschaftler und Politiker. Zehn Jahre lang, von 2010 bis 2020, war er wissenschaftlicher Geschäftsführer des Wuppertal Instituts. Während dieser Zeit verfasste er sein berühmtes Buch: «Die Große Transformation. Eine Einführung in die Kunst gesellschaftlichen Wandels», das 2018 erschien. Im November 2020 trat er das Amt des Oberbürgermeisters der Stadt Wuppertal an, das er derzeit noch innehat. Bei den nächsten Kommunalwahlen im Herbst dieses Jahres wird er jedoch nicht mehr für dieses Amt kandidieren. Die Gründe dafür nannte er ebenfalls in seinem Vortrag, mehr dazu später. 

Prof. Dr. Uwe Schneidewind im Kulturpark (Foto von Giulia Fontana)

Schneidewind begann seinen Vortrag, indem er die aktuelle Lage, in der sich die Welt befindet, skizzierte. Es ist eine Welt mit anhaltenden, wiederkehrenden ökologischen und sozialen Krisen. Eine Welt, die auf wirtschaftliches Wachstum ausgerichtet und davon abhängig ist. Im globalen Norden hat der wirtschaftliche Wohlstand bisher vieles verdeckt, aber mit stagnierenden Wachstumskurven und der Erkenntnis des Zusammenhangs mit ökologischen Krisen ist dies nicht mehr möglich. Unsere Gesellschaft steht somit vor der grossen Frage, wie sie mit stagnierenden Wachstumskurven funktionieren soll.

Diese Frage steht nicht im luftleeren Raum und kann an vieles anknüpfen, was bereits erarbeitet wurde. Uwe Schneidewind erwähnt sein Buch «Damit gutes Leben einfacher wird. Perspektiven einer Suffizienzpolitik», das er zum Vortrag mitgenommen hat. Er hat es gemeinsam mit Angelika Zahrnt verfasst, deswegen liest es sich so gut – so Schneidewind. Aus dem Buch griff er den sogenannten ERGO-Rahmen der Suffizienzpolitik heraus, den er ausführlich vorstellte. Es ist ein Schema, das als Orientierungshilfe für die Gestaltung von Rahmenbedingungen für Suffizienz dient. Hinter dem ERGO-Rahmen steht die Annahme, dass eine suffiziente Gesellschaft gestaltbar ist und Politik dies ermöglicht (E von ERGO). Eine Politik, die mit den Rahmenbedingungen für Suffizienz interagiert (R von ERGO). Darunter versteht man beispielsweise Infrastrukturen für ressourcenschonende Lebensweise oder alternative Wohlstandsindikatoren anstelle des Bruttoinlandprodukts. Rahmenbedingungen und Politik sollten dort, wo es möglich ist, bereits ansetzen und so Suffizienz aktiv gestalten (G von ERGO). Denn bereits im Hier und Jetzt bieten sich dafür viele Gestaltungsfelder an, Orte, an denen Suffizienz erlebbar wird und nicht nur ein abstraktes Leitbild bleibt. Als Beispiel nannte Schneidewind konsum- und autofreie Stadtviertel, die den Menschen den Austausch erleichtern können. Schliesslich sollte sich die Suffizienzpolitik an den «4 E’s» von Wolfgang Sachs orientieren (O von ERGO): Entschleunigen, Entrümpeln, Entflechten und Entkommerzialisieren.

ERGO-Rahmen der Suffizienzpolitik (Schneidewind & Zahrnt, 2013, S. 165)

In Wuppertal gebe es bereits einige Beispiele für gelebte oder umgesetzte Suffizienzpolitik. Schneidewind nannte das Kuhler Viadukt, das zu einem sicheren Radweg mit schönem Blick auf die Stadt Wuppertal umgenutzt wurde.

Kuhler Viadukt in Wuppertal – Fahrradweg mit Aussicht! (Foto von Dominik Ketz)
Utopiastadt: der ehemalige Bahnhof wurde zum Kulturort in Wuppertal (Foto von Wolf Sondermann)

Auch die Umnutzung des Bahnhofs Wuppertal-Mirke zur Utopiastadt, einem Kulturort mit Repair-Café und Urban-Gardening-Projekten, sei ein Beispiel von Suffizienzpolitik. Trotz dieser und anderer Beispiele stiess Schneidewind immer wieder auf Ablehnung für seine Ideen für mehr Suffizienz. Er nannte diese Erfahrung auch die «Politik des Neins». Dies habe auch dazu geführt, dass er als Oberbürgermeister weit weniger bewegen konnte, als er sich erhofft hatte. Die Erfahrungen, die er in dieser Zeit gemacht hat, müsse er noch in Ruhe reflektieren, doch das politische System und parteipolitische Machtstrukturen nennt er als Hindernisse für den Wandel. Dies und die schwierige politische Situation haben ihn dazu bewogen, nicht mehr für das Amt des Oberbürgermeisters zu kandidieren. Dennoch blieb Schneidewind den ganzen Vortrag über positiv. Zum Schluss erinnerte er an den Sinn der Politik und zitierte dazu Hannah Arendt: «Der Sinn der Politik ist die Freiheit». Er plädierte dafür, trotz aller Schwierigkeiten den Mut und die Hoffnung nicht aufzugeben und sich für Suffizienz einzusetzen.

Empfehlungen zum Weiterlesen
Schneidewind & Zahrnt (2013). Damit gutes Leben einfacher wird. Perspektiven einer Suffizienzpolitik. (open access)

Interview mit Uwe Schneidewind der Wuppertaler Rundschau: Schneidewind: „Neues wird als Bedrohung gesehen“

Sachs Wolfgang (1993). Die vier E’s : Merkposten für einen maß-vollen Wirtschaftsstil (open access)