Fünfte Zukunftsapéro im Kulturpark: «Wachstum?!» Katja Gentinetta und Niko Paech im konstruktiven Streitgespräch
Über die Zukunft des Wirtschaftswachstums diskutierten am Dienstag, 23. Mai 2023 Dr. Katja Gentinetta und Prof. Dr. Niko Paech im Kulturpark – mit konträren Positionen.
In ihren Eingangsstatements legten die Gäste ihre Sichtweise auf Umweltprobleme und die damit verbundene Frage nach Wirtschaftswachstum dar, gemeinhin gemessen als die Steigerung des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Kontrovers wurde die Rolle von Wachstum für die menschliche Psyche, die Frage nach der Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Umweltverbrauch und die politische Umsetzbarkeit ihrer unterschiedlichen Vorschläge diskutiert.
Ebenso wie Paech erkennt auch Gentinetta die ökologischen Krisen an, von der Klima- bis hin zur Biodiversitätskrise. Wachstum sieht sie in diesem Zusammenhang jedoch nicht als Problem, im Gegenteil: Durch das Wachstum der Wirtschaftsleistung würden neue Innovationen ermöglicht, zukunftsfähige Technologien entwickelt und ganz generell der menschliche Erfindergeist angeregt. Dadurch liessen sich die Krisen bewältigen – ohne Wachstum sei dies aber alles nicht möglich. Gleichwohl müsse es auch politische Rahmenbedingungen geben, insbesondere die Förderung von Technologien, um das Wachstum in die erwünschte Richtung zu lenken. Die Vergangenheit habe gezeigt, dass eine Entkopplung des Wachstums von Umweltbelastung, zumindest eine relative Entkopplung, technisch möglich sei.
Entschieden widersprach ihr der Wachstumskritiker und Ökonom Niko Paech. Relative Entkopplung sei eine «Katastrophe», weil dadurch der Umweltverbrauch weiter zunehme. Notwendig sei absolute Entkopplung, deren Möglichkeit empirisch jedoch unbewiesen sei. Zwar sieht sich Paech nicht als Technologiefeind, jedoch betont er, dass neben der Effizienz und Konsistenz auch Suffizienz notwendig sei – also die Reduktion des Ressourcenbedarfs auf ein verträgliches Mass, sowohl auf individueller als auch auf gesellschaftlicher Ebene. Technische Entwicklungen allein reichten dazu nicht aus, weil sie durch den Rebound-Effekt den Konsum ankurbeln. Nur Suffizienz würde dazu führen, weniger Ressourcen zu verbrauchen. Paech entwarf in seinen Ausführungen eine Postwachstumsgesellschaft, in der weniger gearbeitet würde; die frei gewordene Zeit könnte man zur umweltschonenderen Eigenversorgung nutzen. Er wies auf genossenschaftliche Energie- und Wohnprojekte hin, die Bürger*innen umgesetzt hätten – ohne vom Streben nach Profit und Wachstum angetrieben zu sein.
Auch die Diskussionen im und mit dem Publikum wurden engagiert geführt – und beim anschliessenden Apéro riche bis zu später Stunde fortgesetzt.
Die Podiumsdiskussion moderierte Dr. Leonard Creutzburg von der Universität Zürich.