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Achter Zukunftsapéro im Kulturpark: Vom Kloster in die Welt

«Hast du Sehnsucht nach einem Leben, das in die Tiefe geht? Dann zeige ich dir jetzt einen möglichen Weg.»

Mit diesen Worten eröffnete Priorin Irene Gassmann ihr Impulsreferat am achten Zukunftsapéro im Kulturpark. Dabei handelt es sich nicht nur um den ersten Satz ihres Referats, sondern auch um ein Zitat aus der benediktinischen Regel, die Priorin Irene behutsam in den Händen hält. Diese Regel begleitet sie schon fast ein Leben lang: Mit 21 Jahren trat sie dem benediktinischen Kloster Fahr bei, das sich vom Kulturpark aus flussabwärts an der Limmat befindet, seit 2003 ist sie Priorin, also Vorsteherin, des Klosters.

Mit ihr wagen wir etwas Neues im Projekt «Wege zur Suffizienz»: Wir versuchen eine Brücke zu schlagen zwischen Suffizienz als Nachhaltigkeitsstrategie und einer kirchlich-asketischen Tradition. Auch die Priorin war bereit, für diesen Abend Neuland zu betreten: «Als ich das Wort Suffizienz gehört habe, musste ich es zuerst googeln», sagt sie.

Priorin Irene erzählt von der benediktinischen Orientierung nach dem Genug. Ein Genug, das keinesfalls universell verstanden wird, sondern verschiedene Formen für jede Person annimmt, sich also an individuellen Bedürfnissen orientiere. Wichtig sei dabei, das «Übermass», das «Zuviel» zu erkennen. Und doch lässt der Heilige Benedikt die Schwestern nicht ganz allein in diesem Erkennen und bietet für verschiedene Lebensbereiche wie z.B. Ernährung oder Kleidung einen Rahmen. So heisst es bei den Speisen beispielsweise, dass zwei gekochte Speisen genügen sollen und frisches Obst und Gemüse, falls vorhanden, zusätzlich serviert werden könne.

Obwohl die Schwestern des Kloster Fahr «Frauen dieser Welt» seien, so die Priorin, funktioniere ihr Zusammenleben doch ganz anders. Die Frage einer Teilnehmerin illustrierte dieses «Anders», als sie sich nach der praktische Seite eines Lebens ohne Eigentum erkundigte. Priorin Irene antwortete prompt, dass dies zu mehr Zusammenhalt führe und sich die Schwestern hiermit nicht als Rivalinnen verstehen. Eine Tatsache, die auch jeglichem Statuskonsum entgegenstehe.

Ein kurzer Vortrag des Suffizienz-Projektteams führt Suffizienz als die Frage nach dem rechten Mass zwischen der Befriedigung von menschlichen Grundbedürfnissen und der Einhaltung der planetaren Grenzen ein. Es geht also nicht um Verzicht, sondern darum das Gute Leben für alle zu ermöglichen. Priorin Irene bestärkt uns darin, Suffizienz nicht als Verzicht zu interpretieren.  

Im dritten Teil des Abends haben wir versucht, die beiden Welten zu verbinden. In Kleingruppen und im Plenum haben wir die Frage diskutiert: Von welchen Erfahrungen des Klosters können wir lernen, um eine suffizientere Gesellschaft zu gestalten? Die Antworten waren vielfältiger Natur, und doch stach ein Thema hervor: Gemeinschaft. Die Gemeinschaft, die es erst ermöglicht, einem erfüllten Leben nachzugehen – einem Leben, das in die Tiefe geht.

Suffizienz und die Benediktsegel: ein Eindruck vom achten Zukunftsapéro des Projekts «Wege zur Suffzienz»
© Foto: Leonard Creutzburg

Literaturtipp der Priorin Irene Gassmann

Müller, C. (2022). Die Weisungen des heiligen Benedikt: In einfacher und gerechter Sprache. Verlag Herder GmbH.