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Verbesserte Erntelagerung in Ostafrika – Projekt in Kenia

Eine Kleinbäuerin trocknet Mais vor der Lagerung.

Inhalt

Das Projekt

Nahrungsmittelverluste in Sub-Sahara Afrika sind hoch. Kostengünstige Lösungen zur Reduktion von Nahrungsmittelverlusten, beispielsweise durch verbesserte Lagerhaltung existieren, finden aber noch kaum Beachtung. In unserem Projekt entwickeln und testen wir gemeinsam mit kleinbäuerlichen Haushalten mögliche Lösungsansätze. Dabei fragen wir auch:

  • Wie können Politik und Praxis die Verbreitung verbesserter Erntelagerung effektiv fördern?
  • Inwiefern beeinflussen die Risikowahrnehmung und Nahrungsmittelqualität und Transparenz auf lokalen Märkten die Entscheidungen kleinbäuerlicher Haushalte in verbesserte Erntelagerung zu investieren?
  • Was ist der Beitrag von verbesserter Erntelagerung zur Ernährungssicherheit in kleinbäuerlichen Haushalten und zur Preisstabilität auf lokalen Märkten?

Dr. Matthias Huss
UZH
(Projektleitung)
E-Mail

Dr. Michael Brander
UZH
(Projektleitung)
E-Mail

Dr. Menale Kassie
Insektenforschungsinstitut
ICIPE

Beitrag zu den SDGs

SDG 1 – Keine Armut
Verlustfreie Erntelagerung bedeutet für kleinbäuerliche Haushalte, dass ein grösserer Teil der eingebrachten Ernte zum Verkauf zur Verfügung steht. Sie bietet aber auch verbesserte wirtschaftliche Möglichkeiten. Die Vermeidung hoher Verluste während der Lagerperiode gibt kleinbäuerlichen Haushalten Entscheidungsautonomie über den Verkaufszeitpunkt: So können Kleinbäuerinnen und Kleinbauern ihre Produkte über das Jahr gestaffelt verkaufen und damit bessere Preise erzielen, als dies zum Erntezeitpunkt üblicherweise der Fall ist. Auch die Gemeinschaft profitiert so von geringeren saisonalen Preisschwankungen.

SDG 2 – Kein Hunger
Durch verbesserte Lagerung stehen der Gesellschaft mehr Nahrungsmittel zur Verfügung, sowohl absolut, als auch im Jahresverlauf. Besonders bedeutend ist dies in den Monaten vor der nächsten Ernte («lean season») wenn ohnehin rückgängige Lagermengen durch sonst entstehende Verluste zusätzlich dezimiert werden. Saisonale Ernährungsunsicherheit kann so reduziert werden.

SDG 12 – Nachhaltige/r Konsum und Produktion
Die Vermeidung von Verlusten bereits produzierter Nahrungsmittel ist eine Alternative zu Produktionssteigerungen, die ihrerseits mit weiterem Druck auf natürliche Ressourcen in oft ohnehin stark beanspruchten Ökosystemen verbunden sind. Das Projekt trägt ausserdem konkret zur Erreichung des SDG Ziel 12.3 «Bis 2030 (…) die entlang der Produktions- und Lieferkette entstehenden Nahrungsmittelverluste einschließlich Nachernteverlusten verringern» bei.

Hintergrund

Weltweit leiden mehr als 800 Millionen Menschen Hunger – so viele wie seit 10 Jahren nicht mehr. Die «Food and Agriculture Organization» der Vereinten Nationen (FAO) warnt, dass ohne massive zusätzliche Anstrengungen eines der Schlüsselziele der UN Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung (SDGs) – das Ende des Hungers überall auf der Welt – in weite Ferne rückt. Die Ergebnisse der ersten Phase unserer anwendungsorientierten Forschung zeigen, dass die Bekämpfung der Ernährungsunsicherheit notwendigerweise die Berücksichtigung von Nachernteverlusten bei der Lagerung erfordert (siehe Publikationen in den Fachzeitschrift «Food Policy» und «Global Food Security»). Die eingesetzte Methode verbesserter Erntelagerung sind hermetische Erntesäcke. Die hermetische Lagerung begrenzt den Sauerstoff im Lagergut, was zum Austrocknen von Insekten, Pilzen und anderen Schädlingen führt, die die gelagerten Körner verderben. Eine ausführliche Einführung in das Thema findet sich in der Beschreibung des verbundenen Projektes in Tansania.

Basierend auf den bisherigen Ergebnissen, fokussieren wir unsere aktuelle Forschungsphase auf die Verbreitung (Adoption) der gewonnenen Erkenntnisse bei kleinbäuerlichen Haushalten. Bislang ist die Anwendung von Technologien zur verbesserten Lagerung, einschließlich dem Einsatz der Erntesäcke in Sub-Sahara Afrika gering. Um dieses Problem anzugehen, setzt unser Forschungsprogramm auf verschiedene partizipative Feldexperimente, in denen gemeinsam mit kleinbäuerlichen Haushalten Ansätze zur Förderung der verbesserten Praxis entwickelt und getestet werden.

In einer neuen Projektphase in Kenia (2022-), analysieren wir gemeinsam mit Kleinbäuerinnen, Entwicklungsakteuren und der Privatwirtschaft, bestehende Zugangshürden, Hindernisse und Faktoren, die es kleinbäuerlichen Haushalten erschweren in hermetische Erntelagerung zu investieren. Obwohl hermetische Erntesäcke kostengünstig sind (2 USD pro Sack der 100kg Mais fasst), können die dafür erforderlichen Investitionen von ressourcenknappen Kleinbauern als beträchtlich angesehen werden. Sie können sich solche Ausgaben nur leisten, wenn sich ihre Investition rechtzeitig auszahlt. Durch die Dynamik der lokalen Märkte bestehen jedoch derzeit kaum Anreize in die Produktion und Lagerung qualitativ hochwertiger und sicherer Nahrungsmittel für die lokale Bevölkerung zu investieren. Die Risikowahrnehmung der Landwirte ist ein weiteres, aber zentrales Hindernis für die Investitionsbereitschaft. Für Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, die mit der hermetischen Lagerung nicht vertraut sind, ist es naturgemäß schwierig, die zu erwartenden Vorteile zu beurteilen und die Chancen gegen die Kosten abzuwägen, insbesondere wenn keine früheren Erfahrungen vorliegen (z.B. eigene Erfahrungen oder Erfahrungen von Verwandten oder Nachbarn). Die Kleinbäuerinnen und Kleinbauern könnten daher die Risiken überbewerten und die Vorteile einer Investition in eine verbesserte Lagerung unterbewerten. Diese potenziellen Probleme wurden in Gesprächen mit Bauerngruppen, und in Multi-Stakeholder-Workshops mit Praktikern, Forschern und politischen Entscheidungsträgern hervorgehoben und dienen als Grundlage für den Ansatz dieses Programms. In Kenia fokussieren wir uns in einem ersten Schritt auf die Rolle der (i) Risikowahrnehmung der Bäuerinnen und Bauern, und die (ii) bestehenden Anreize in lokalen Märkten.

  • (i) Risikowahrnehmung: Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, die nur über begrenzte Ressourcen verfügen, können sich eine verbesserte Lagerung im Betrieb nur leisten, wenn sich ihre Investitionen schnell amortisieren. Im Prinzip können hermetische Lagerungslösungen direkt durch den Wert der verringerten Verluste und indirekt durch den Verkauf zu besseren Preisen wirtschaftliche Vorteile bringen. Die Möglichkeit, über einen längeren Zeitraum sicher zu lagern, gibt den Landwirten die erwünschte Autonomie, um zu entscheiden, wie viel ihrer Erzeugnisse sie zu welchem Zeitpunkt verkaufen möchten, wobei der Verkauf in der mageren Jahreszeit (lean season) in der Regel mit höheren Preisen verbunden ist. Im Gegenzug können die Landwirte Lebensmittel einlagern, wenn die Preise niedrig sind – oft zur Erntezeit. Für Landwirte, die mit der hermetischen Lagerung nicht vertraut sind, ist es naturgemäß schwierig, die zu erwartenden Vorteile zu beurteilen und die Chancen gegen die Kosten abzuwägen, insbesondere wenn nicht auf Erfahrungswissen (z.B. eigene Erfahrungen oder Erfahrungen von Verwandten oder Nachbarn) zurückgegriffen werden kann. Eine Überbewertung der Risiken und Unterschätzung der Vorteile einer Investition in verbesserte Lagerung resultiert. Wir testen inwiefern kleinbäuerliche Haushalte die in der ersten Projektphase bereits hermetische Erntesäcke testen konnten (und damit Vorteile und Kosten besser abwägen können) eher bereit sind in neue Erntesäcke zu investieren. Dies vergleichen wir mit Haushalten welche noch keine Erntesäcke testen konnten.
  • (iI) Nahrungsmittelqualität und Transparenz auf lokalen Märkten: Der zentrale Ansatzpunkt hier liegt in der Dynamik lokaler (oft informeller) Märkte, die Kleinbäuerinnen und Kleinbauern derzeit kaum Anreize bieten, in die Produktion qualitativ hochwertiger und sicherer Nahrungsmittel für die lokale Bevölkerung zu investieren. Ein wichtiger Grund hierfür ist, dass wesentliche Qualitätsmerkmale der verkauften Erzeugnisse nicht beobachtbar sind: Kontamination mit schädlichem Aflatoxin oder Pestiziden sind für die Käufer und Käuferinnen  (Konsumenten) nicht sichtbar. Dadurch fehlt den Konsumenten die Möglichkeit gute und sichere Nahrungsmittel von solchen von geringer Qualität zu unterscheiden. Entsprechend sind Konsumenten nicht bereit höhere Preise für hochwertigere Qualität zu bezahlen. Im Gegenzug haben Produzenten kaum Anreize, oder schlicht nicht die (finanzielle) Möglichkeit, hochwertige Produkte anzubieten, welche entsprechende Investitionen in eine verbesserte landwirtschaftliche Produktion und Erntelagerung erforderten. Die Dynamik in einem solchen dysfunktionalem Markt (oft genannt «Lemons Market») führt zu einer sich selbst verstärkenden Abwärtsspirale bei der sowohl Preisunterschiede als auch die durchschnittliche Qualität sinken. Unser Ziel ist es diese Abwärtsspirale zu durchbrechen.

In einem weiteren Schritt (ab 2023/2024) werden Massnahmen zur Reduktion der Kosten hermetischer Erntesäcke (Mehrwertsteuerbefreiung) und/oder zur Überwindung von Liquiditätsengpässen (via Zahlungsaufschuboptionen) erprobt, falls die entsprechenden Resultate aus dem verbundenen Projekt in Tanzania vielversprechend sind.

Um Fortschritte bei der Verbreitung einer verbesserten Lagerung in kleinbäuerlichen Haushalten zu erzielen, bedarf es solider Erkenntnisse darüber, welche Strategien und Maßnahmen am wirksamsten und kosteneffizientesten sind. Die Gewinnung dieser praxis- und politikrelevanten Erkenntnisse, wie sie hier vorgeschlagen wird, kann auf wichtige Weise dazu beitragen, den Erfolg der programmatischen Bemühungen von Entwicklungsakteuren und des Privatsektors sowie die Gestaltung unterstützender politischer Rahmenbedingungen zu steigern, die darauf abzielen, die Einführung der hermetischen Lagerung zu fördern.

Bilder

Eine Bäuerin verschliesst den hermetischen Lagersack zusammen mit Michael Brander.
Durch einfache hermetische Erntesäcke können die Verluste bei der Lagerung stark reduziert werden.
Kleinbäuerliche Familien werden in der Nutzung hermetischer Erntesäcke ausgebildet.
Das Projektteam bei einem Feldbesuch. Zur Datensammlung kommen auch einfache, digitale Lösungen (SMS-basierte Umfragen) zum Einsatz.